Äthiopien: Degife Denebela – vom Patenkind zum Abteilungsleiter einer Regierungsbehörde
Text: Degife Denebela, Fotos: privat
Degife Denebela wohnte von 1998 bis 2009 im Gidole Hostel in Äthiopien, um von dort die weiterführende Schule und die Universität zu besuchen. Von seinem weit entfernten Heimatdorf aus wäre das nicht möglich gewesen. Ein Ehepaar aus Deutschland übernahm seine Patenschaft. Degife hat heute noch ein Foto, das sie ihm von der Taufe ihrer Tochter geschickt haben! Inzwischen ist er 36 Jahre alt, verheiratet, hat drei Kinder und ist Leiter der Regierungsbehörde für Landverwaltung und Landnutzung in der Zone Gamo. Es war ihm ein großes Anliegen, seinen früheren Paten dafür zu danken, dass er die Schule beenden und studieren konnte. Ohne sie wäre er heute nicht das, was er ist.
„Nach dem Tod meines Vaters hatte ich nur noch meine Mutter Sagare Sanke und meine Schwester Daste Denebela", erzählte er uns. "Wir besaßen einen kleinen Acker und lebten von der Landwirtschaft. Das war die einzige Möglichkeit für uns, uns zu ernähren und als Familie über die Runden zu kommen. Wir hatten allerdings Probleme, die Schulgebühren zu bezahlen, deshalb stand meine Schulausbildung auf der Kippe. Die Leiter der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus sah die schwierige wirtschaftliche Situation meiner Familie. Er sorgte dafür, dass ich ab 1998 im Gidole-Hostel unterkommen konnte und ins Patenschaftsprogramm der Kindernothilfe aufgenommen wurde. Ich war damals zehn Jahre alt und besuchte die 5. Klasse. (Es gab keinen Kindergarten, deshalb bin ich direkt in die Grundschule gekommen; an den Schulen existierte keine untere Altersgrenze.)
Unterstützung nach dem Tod meiner Mutter durch meine Paten
Im ersten Halbjahr starb plötzlich meine Mutter, die an einer ähnlichen Krankheit litt wie meine inzwischen verstorbenen Familienmitglieder. Ich war sehr traurig. Meine Paten unterstützten mich weiterhin, damit ich regelmäßig die Schule besuchen konnte. Sie übernahmen die Kosten für Essen, Schulmaterial (Hefte, Stifte, Uniform), Transport, Erfrischungen in der Sommersaison und Hygieneartikel. Sie schickten mir sogar Weihnachtsgeschenke. Ich erinnere mich noch gut, wie wir Kinder damals im Gidole Hostel Weihnachten gefeiert haben.
Ich bestand die Abschlussprüfung in der 12. Klasse und studierte drei Jahre lang Soziologie an der Universität Gonder, einer öffentlichen Universität in Nordäthiopien. Dort machte ich meinen Bachelor of Art (BA). Meine Paten unterstützten mich weiterhin über die Kindernothilfe. Mit ihrer Hilfe konnte ich mein Studium ohne Schwierigkeiten absolvieren. Sie halfen mir sogar, die Kosten für die Abschlussfeier und die spezielle Kleidung für diesen Anlass zu bezahlen.
Von der Uni zum Abteilungsleiter
Von 2009 bis 2012 war ich in der ehemaligen Gamo Gofa Zone Daramalo Woreda auf Bezirksebene in verschiedenen Ämtern als Beamter und Leiter tätig. Von 2013 bis 2019 arbeitete ich als Projektkoordinator und Experte bei der Äthiopischen Evangelical Church Mekane Yesus in der Abteilung Development and Social Services. Während dieser Zeit bekam ich die Chance, ein Masterstudium für Social Anthropology an der Arba Minch University in Südäthiopien zu absolvieren. Alle Kosten für die Ausbildung habe ich selbst getragen. Im Jahr 2021 schloss ich mein Masterstudium ab.
Anschließend bekam ich eine Stelle in einer Regierungsbehörde und wurde zum Leiter einer Abteilung für Landverwaltung und Landnutzung in der Zone Gamo.
Meine Paten waren die Grundlage für mein Leben
Heute bin ich 36 Jahre alt, seit 2012 verheiratet, meine Frau Selaminesh Gibe Giya und ich haben drei Kinder: Tsion Degife geht in die sechste Klasse, Nahom Degife in die zweite. Die Schulgebühren tragen meine Frau und ich. Unser drittes Kind ist die zweijährige Saron Degife.
Ich habe in der Stadt Arba Minch ein Haus mit 200 m2 gebaut. Ich lebe ein gutes Leben mit meiner Familie. Außerdem helfe ich meiner Schwester, die in einer ländlichen Gegend lebt. Meine Paten waren die Grundlage für mein Leben. Danke, meine Paten, Gott segne Sie, die Kindernothilfe und Deutschland.“
Sylvia und Reiner Dietrich freuen sich sehr, wieder Kontakt zu ihrem früheren Patenkind zu bekommen. Noch heute haben sie die Mappe mit den ganzen bunt verzierten Briefen, die der Junge ihnen geschrieben hatte. Darin erzählte er zum Beispiel, dass er gerne Fußball spielt, im Garten des Hostels mitarbeitet und dasss aufgrund des vielen Regens zur falschen Zeit Nahrungsmittel knapp werden. "Aus ihm ist ein Mann, ein Ehemann und ein Vater geworden", stellen die beiden fest. "Wie sind stolz darauf, dass er, vielleicht auch durch unsere Unterstützung, erfolgreich ein Studium absolviert hat."
Als die erste Mail der Eheleute bei dem äthiopischen Familienvater ankommt, ist der zu Tränen gerührt. Spontan lädt er die beiden nach Äthiopien ein, denn auch seine Familie möchte die Menschen kennenlernen, die mit ihrer Unterstützung Degife Denebelas Lebensweg geebnet haben.